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Leserunden / Wer ist wer in dem Roman? "Der lange Weg nach Weimar"

 

  

Der lange Weg nach Weimar

Anne und Udo Weinbörner bei der Schiller Lesung in Schloss Miel im Oktober 2019 1

Bilder: Buchcover und Anne Labus (Weinbörner), Schriftstellerin und Udo Weinbörner bei

der Buchpräsentation in Schloss Miel

 Schillers Zeitgenossen /Geschichten aus Schillers Umfeld und von Personen aus Schillers Zeit

 Geht es Ihnen nicht auch manchmal so? Sie lesen ein interessantes Buch, eine richtig dicke Schwarte - und im Laufe der Handlung eilt der Protagonist/die Protagonistin von einem Ort zum anderen und manch lieb gewonnene oder auch verhasste Nebenfigur taucht nie wieder auf. Aber wenn es diese Menschen im wirklichen Leben einmal gegeben hat, dann bin ich nicht selten neugierig, was aus ihnen geworden ist. Manchmal ergeben sich ganz eigene neue Ansätze für eine neue, andere Erzählung daraus. Ich weiß aus Gesprächen mit meinen Leserinnen und Lesern, dass es vielen von Ihnen ähnlich geht. Daher hier eine kleine Liste als Schnupperangebot betreffend Menschen aus Schillers Umfeld. Die Liste ist noch in Arbeit und noch nicht vollständig, aber ich stelle sie mit Werkcharakter schon mal zum Schmökern rein. Viel Freude damit! Manchmal geht es sogar anders herum, dass jemand diese, meine Liste liest und das Gefühl bekommt, dass es doch ganz interessant wäre, mehr über dieses Beziehungsgeflecht zu Schiller zu erfahren... Jenen rufe ich als Autor natürlich zu: Nur Mut, lesen Sie den Roman!

 

A - wie allgemein! 

Das 18. Jahrhundert ist für mich die literarische Hoch-Zeit der deutschen Literatur. Sie umfasst die wohl für heute bedeutendste philosophische Zeit und Grundlage heutiger Bildung – die Epoche der Aufklärung. Parallel dazu entstand im Zuge der Empfindsamkeit eine Epoche junger Schriftsteller, der Sturm und Drang, der bekannte Persönlichkeiten wie Goethe und Schiller hervorbrachte, Persönlichkeiten, die bis in die Weimarer Klassik hinein wirkten, ja, ohne die eine "Weimarer Klassik" nicht denkbar gewesen wäre. Auch das Balladenjahr 1797 fällt in diese Zeit. Es brachte viele – über deutschen Grenzen hinaus – bekannte Balladen wie „Der Zauberlehrling“ von Goethe oder „Der Handschuh“ oder „Die Bürgschaft“ von Schiller hervor. Die Textsorte Ballade wurde von Goethe als „Ur-Ei“ bezeichnet, da sie Elemente der Lyrik (Versform), Dramatik (Rede und Gegenrede) und Epik (Erzählung, Handlung) in sich vereint.

Autoren, die zum Großteil in der Handlung vorkommen oder wenigstens erwähnt werden:

Aufklärung (1720 – 1800):

Johann Christoph Gottsched, Christian Fürchtegott Gellert, G. E. Lessing, Christoph Martin Wieland, J. W. von Goethe, J.G. Herder, J. R. Michael Lenz, Barthold Hinrich Brockes, Albrecht von Haller, Luise Adelgunde Victorie Gottsched, Johann Jakob Breitinger, Friedrich von Hagedorn, Johann Elias Schlegel, Johann Wilhelm Ludwig Gleim, Friedrich Gottlieb Kloppstock, Sophie von La Roche, Friedrich Nicolai, Johann Heinrich Voß, Johann Karl Wezel, Friedrich Schiller, Karl Philipp Moritz, Immanuel Kant, Karl Jaspers, Georg Christoph Lichtenberg

Sturm und Drang (1767 – 1785):

Gerstenberg, Lenz, Wagner, Klinger, Leisewitz, Goethe, Schiller

Klassik (1786 – 1805):

W. von Goethe, Friedrich Schiller, Jean Paul, Johann Joachim Winckelmann, Christoph Martin Wieland, Karl Philipp Moritz, Immanuel Kant, Johann Heinrich Voß, Christian August Vulpius, Friedrich Hölderlin

 

Personen/Auswahl aus dem Romanpersonal:

 Abel: Professor Jakob Friedrich von Abel, geboren am 9. Mai 1751 zu Vaihingen an der Enz in Württemberg, war Professor der Philosophie an der Karlsakademie und Schillers Lehrer. 1790 wurde er Professor der praktischen Philosophie an der Universität Tübingen, 1793 zuständiger Ausbilder für die württembergischen Gymnasien und Schulen, 1825 Generalsuperintendent in Urach, später in Stuttgart. Er starb am 7. Juli 1829 in Schorndorf. Auf Einladung seines alten Akademielehrers Prof. Abel fuhr Schiller zusammen mit Friedrich von Hoven im März 1794 für drei Tage nach Tübingen. Er wohnte mit Abel zusammen in der Bursa. In Tübingen begegnete er zum ersten Mal dem Verleger Cotta. Schiller nutzte seinen Aufenthalt in Tübingen auch, um mehrere Male zusammen mit den Studenten dort zu speisen und sich heiter und angeregt zu unterhalten – und diese (so berichtete Abel) hingen mit „Liebe und Bewunderung“ an seinen Lippen. Schiller spielte sogar kurz mit dem Gedanken eine Professorenstelle in Tübingen anzunehmen.

Dannecker: Johann Heinrich von Dannecker, dannecker16. Oktober 1758 in Stuttgart als  Sohn eines Stallknechts und Kutschers im Dienste des württembergischen Herzogs geboren. Er kam 1771 in die „Militärische Pflanzschule“ auf der Solitude bei Stuttgart. Zunächst als Balletttänzer, bald als Bildhauereleve, besuchte Dannecker das herzogliche Institut, das 1773 zur Militärakademie und 1782, nach Stuttgart verlegt, als Hohe Karlsschule zur Universität erhoben wurde, bis 1780. Für seine künstlerische Ausbildung waren u.a. Johann Valentin Sonnenschein (1749–1828) und Pierre François Lejeune (1721–1790) als Bildhauer und der Maler Adolf Friedrich Harper (1725–1806) zuständig. Besondere Erwähnung verdient die Ausbildung durch den Leiter der Künstlerfakultät der Karlsschule Nicolas Guibal (1725–1784). Dannecker und ein Mitschüler (Scheffauer) wurden mit ihrem Abschluss an der Karlsschule zum Hofbildhauer bei lebenslanger Dienstverpflichtung ernannt und mit ersten Aufträgen betraut. Ein herzogliches Stipendium erlaubte den beiden Bildhauern 1783 einen zweijährigen Aufenthalt in Paris, wo sie durch Vermittlung von Nicolas Guibal im Atelier von Augustin Pajou (1730–1809) arbeiten konnten. Es folgten vier Studienjahre in Rom, die Dannecker künstlerisch stark prägenten. Freundschaftlichen Umgang pflegten sie mit Antonio Canova (1757–1822) und dem Schweizer Bildhauer Alexander Trippel (1743–1793). Unter den Stuttgarter Eleven zählte auch Schiller zu Danneckers Freundeskreis. Später wurde Dannecker zum Professoren der Hohen Karlsschule ernannt und nach Aufhebung der Karlsschule setzte er seine Lehrtätigkeit im privaten Rahmen fort. Seine vorteilhafte Heirat mit der Kaufmannstochter Heinrike Rapp (1773–1823) enthob ihn aller materieller Sorgen und machte ihn zu einem angesehenen Mitglied der Stuttgarter Gesellschaft und sein Haus in prominenter Lage am Schlossplatz "die Danneckerei" zu einem kulturellen Mittelpunkt der Residenzstadt. Die klassische Schillerbüste ist eines seiner Hauptwerke. In Wirklichkeit waren es mehrere aus den Jahren 1793 und 1805. 1803 entstand ein erstes Tonmodell der Ariadne auf dem Panther, die 1814 in Marmor ausgeführt werden konnte. Der Frankfurter Freiherr Simon Moritz von Bethmann erwarb dieses Werk 1810 mit einem Gipsabdruck und stellte die Marmorversion 1816 im eigens errichteten Museum Ariadneum aus, dem ersten öffentlichen Frankfurter Museum. Die Ariadne wurde dort von einem internationalen Publikum wahrgenommen und erreichte außerordentliche Popularität; sie wurde vielfach reproduziert. Um 1835 begann seine geistige Umnachtung (in einem Anfall verstümmelt er seine Schillerbüste – das Modell blieb erhalten und wurde mehrfach reproduziert). Am 8. Dezember 1841 starb Johann Heinrich von Dannecker. Er ist auf dem Stuttgarter Hoppenlaufriedhof begraben.

Streicher: Johann Andreas Streicher (1761 - 1833): Geboren am 17. Dezember 1761 in Stuttgart, damit zwei Jahre jünger als Schiller, musste er schon sehr früh den Tod seines Vaters, eines Maurermeisters erleiden und wuchs in einem Waisenhaus auf. Er hatte keine musikalische Ausbildung und war was seine späteren Kenntnisse und Fähigkeiten auf Klavier und Orgel anging wohl so etwas wie ein musikalisches Naturtalent und ein Autodidakt. Zum Freund von Schiller wurde er an der Karlsschule. Streiche faszinierte es, wie Schiller „durch Anhören trauriger oder lebhafter Musik oft außer sich selbst versetzt wurde“. Man kann die Rolle, die Streicher als Freund im Schillerschen Leben in einem entscheidenden Abschnitt und damit letztendlich für dessen ganzes Werk gespielt hat, wohl gar nicht hoch genug veranschlagen. Als er in der Nacht vom 22. auf den 23. September 1782 mit Schiller aus Stuttgart floh und den illegalen Grenzübertritt in die Pfalz wagte, riskierte er wegen der Beihilfe zur Flucht dieses bereits wegen unerlaubter Abwesenheit von der Truppe vorbestraften Regimentsmedikus ebenfalls Kopf und Kragen. Und sie waren in der Pfalz als Fahnenflüchtige kaum vor dem Zugriff des Herzogs sicher. In dieser Situation lebten Schiller und er vor seinen Ersparnissen, und es war Streicher, der seinen Traum bei Carl Philipp Emanuel Bach, dem wichtigsten ‚modernen‘ Komponisten der damaligen Zeit, in Hamburg Unterricht zu nehmen, für Schillers Fortkommen, ja sagen wir ruhig, angesichts der elenden Zustände der beiden, auch für dessen Überleben, aufzugeben. Streicher bewunderte Schillers Begabung und blieb selbst Autodidakt. Als Schiller Mannheim schließlich Richtung Leipzig und Dresden verließ, trennten sich die Wege der Freunde endgültig. Streicher schlug sich als Klavierlehrer durch, arrangierte sogar zwei Opern für Aufführungen in Mannheim und Stieler Flucht Schiller StreicherSchillerhaus Weimar
zog anschließend nach München, wo der die Tochter des Augsburger Klavierbauers Stein, Maria Anna Stein, heiratete. Seine Nanette war eine begabte Pianistin, die mit ihrem Bruder nach dem Tod des Vaters das Klavierbauergeschäft erfolgreich nach Wien verlegte. Dort wurde auch Streicher heimisch, befreundete sich mit Beethoven und unterhielt einen Salon, der, als er größer wurde, sich zur Gesellschaft der Musikfreunde auswuchs, die bis heute im Wiener Kulturbetrieb höchst einflussreich ist. Streichers Nanette kümmerte sich um den chaotischen Haushalt des großen Beethoven und Streicher engagierte sich für dessen Gesamtausgabe seiner Werke, veröffentlichte selbst einige Klavierwerke und arbeitete mit seiner Frau an der Herstellung von technisch weiter perfektionierten Klavieren. Beide starben sie kurz nacheinander: Nanette im Januar 1833, Andreas Streicher im Mai 1833. Posthum erschienen seine Jugenderinnerungen zu Schillers Flucht. Er war wohl einer der ersten, die in dem noch ungeschliffenen Schiller den Hochbegabten erkannten - es war seine Selbstlosigkeit, die Schiller den Weg zur Entfaltung ebnete. Das Titelbild des Romans "Der lange Weg nach Weimar" zeigt Streicher, wie er sich auf der Flucht von Mannheim nach Frankfurt um Schiller kümmert, der einen Schwächeanfall erleidet ausruhen und schlafen musste. Sie waren zu Fuß unterwegs, an Geld für die Kutsche mangelte es vollends, Geld für Verpflegung war ebenfalls knapp... "Mit einem Fuß im Kerker und fast vor Hunger gestorben. Selbst an Kerzen musste gespart werden. Uns hatte in jenem September 1782 eine Ahnung davon ergriffen, dass man, wenn man entschlossen genug war, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, die Verhältnisse ändern könnte...", schrieb er später in seinen Erinnerungen nach Schillers Tod. Streicher war es auch, der nicht müde wurde, für ein großes Schillerdenkmal in Weimar Gelder aufzutreiben und namhafte Unterstützer zu gewinnen. Der Weimarer Herzog und Goethe fürchteten Streichers "Brandbriefe" in Sachen Schiller. Nicht zu unrecht, denn selbst als Mittel genug vorhanden waren, blieb man in Weimar noch unentschlossen untätig. Einen Verbündeten in dieser Angelegenheit fand Streicher in Bürgermeister Schwabe, der schließlich 1826 die Exhumierung von Schillers Leichnam aus dem Massengrab des Landschaftskassengewölbes auf dem Jakobsfriedhof von Weimar betrieb, um Schiller anschließend eine angemessene Gedenk- und Ruhestätte zu garantieren. Er machte die Rechnung zwar mit Unterstützung des mächtigen Kreises um Andreas Streicher, jedoch ohne Goethe, der sich Schillers Schädel bringen ließ und ihn sogar gegen den Widerstand von dessen Frau Charlotte von Schiller für einige Zeit in der Herzogin Amalie Bibliothek ausstellen ließ. Heute wissen wir wissenschaftlich gesichert, dass man nicht Schillers Schädel zutage gefördert hatte und daher auch nicht Schiller in der Fürstengruft von Weimar neben Goethe bestattet liegt. Wer "seinem Schiller" einen Besuch abstatten möchte, sollte dies nach wie vor auf dem Jakobsfriedhof tun, auch wenn dort der Weg zu Schiller nicht besonders ausgewiesen ist. Er liegt immer noch im dortigen Massengrab. Ganz in der Nähe übrigens die letzte Ruhestätte von Christiane von Goethe (Vulpius). (Bild von Stihler, Flucht von Schiller und Streicher, hängt im Schillerhaus von Weimar und wird hier und für das Titelbild meines Romans "Der lange Weg nach Weimar" mit Genehmigung der Stiftung Weimarer Klassik verwendet.)

 

Caroline von Wolzogen (geborene von Lengefeld, geschiedene von Beulwitz) -(1763 - 1847):

Erinnerungen an Schiller: Schillers Stimme war nicht hell, noch wohlklingend, doch ergriff sie, wenn er selbst gerührt war oder überzeugen wollte. Etwas vom schwäbischen Dialekt hat er immer beibehalten. Er las seine Schauspiele und Gedichte gern selbst vor. Von eigentlicher Lesekunst besaß er wenig und legte auch keinen Wert darauf. Der Geist sollte zum Geiste sprechen, und das Herz zum Herzen. Seine Stimme folgte nur der inneren Rührung seines Gemüts und wurde tonvoller, wie dieses sich lebendiger regt. Sein Gang hatte gewöhnlich etwas Nachlässiges, aber bei innerer Bewegung wurde der Schritt fester.

 

Vischer, Louise Dorothea Vischer (1751-1816), Tochter des Hofmedicus André aus Stuttgart, war dem Hauptmann Vischer verheiratet. Bei seinem Tod hatte sie im frühen Witwenstand für zwei Kindern zu sorgen. Schiller wohnte in den Jahren 1781 und 1782 bei der 30-jährigen Witwe zur Untermiete. Ein Zimmer, das er sich aus Geldmangel mit seinem Freund aus der Karlsschule Franz Joseph Kapf teilte. An den Mutmaßungen, dass Schiller ein Verhältnis mit ihr gehabt habe, mag wohl etwas dran sein (siehe Schillers "Laura" Gedichte) - Aussagen seiner Schwester Christophine und von Scharffenstein deuten ebenfalls darauf hin. Später hat man der Vischerin wegen eines Verhältnisses zu einem ihrer jungen Untermieter, das nicht nohne Folgen blieb in Stuttgart einen Skandalprozess gemacht.

 

 Hoven: Friedrich Wilhelm David Daniel von Hoven (1759-1838): Schiller und Hoven verband eine lebenslange Freundschaft und tiefe Vertrautheit; sie kannten sich von Kindesbeinen an, besuchten gemeinsam die Ludwigsburger Lateinschule, später die Militärische Pflanzschule zu Ludwigsburg und dann die Karlsschule/Militärakademie in Stuttgart. Friedrich von Hoven und Schiller saßen in der Nacht des Todes von Friedrichs Bruder, August von Hoven, der mit 18 Jahren in der Karlsschule erkrankte und starb, gemeinsam mit dessen Mutter an dessen Bett. Schiller verfasste danach einen Trostbrief an den Vater und einen Brief an seine Schwester Christophine, in dem er die Verehrung des eigenen Vaters ausdrückte. Dieses schlimme Erlebnis hatte Friedrich Schiller und Friedrich von Hoven in besonderer Weise in Freundschaft miteinander verbunden. Wie Schiller wechselte Hoven vom Jura- zum Medizinstudium und wurde später nach einem Zusatzstudium Hofarzt in Ludwigsburg und Arzt am Militär-Waisenhaus des Herzogs bis 1780, später Professor in Würzburg und Obermedizinalrat in Nürnberg. In Schillers früher ‚Anthologie auf das Jahr 1782‘ finden sich Gedichte von ihm. Als Schiller, bereits Berühmtheit, viele Jahre später nach Württemberg zurückkehrte, erneuerten die beiden ihre Freundschaft (1793/94) und Schiller zog seinen Freund wegen seiner Erkrankung und seines schlechten gesundheitlichen Zustandes ins Vertrauen. Er war es auch, der Schillers Frau Charlotte bei der Geburt von Schillers erstem Sohn Karl Friedrich Ludwig (14. September 1793) beistand. Friedrich Wilhelm von Hoven hat im Alter umfangreiche Erinnerungen an Schiller veröffentlicht, auf die Überlieferung der großen Verehrung des Dichters und Musikers Schubart zurückgeht und die Geschichte eines angeblichen Besuchs von Schiller bei dem inhaftierten Schubart auf dem Hohenasperg.

 

Charlotte von Kalb (1761 – 1843) – von ihr hört Schiller das erste Mal während seines Aufenthaltes auf Schloss Walldorf kurz vor ihrer Verheiratung mit Major von Kalb, einem Offizier, der als Söldner am Amerikanischen Freiheitskrieg teilgenommen hatte, der wesentlich älter war als Charlotte und von dem im Hause Wolzogen, wo Schiller in Walldorf zu Gast war, gesagt wurde, er „sei ein rechter Degen, sonst eben nichts“. Die Zwangsehe von Charlotte und ihrer Schwester, die von ihrem Onkel arrangiert werden konnte, da er die Vormundschaft über beide ausübte (Eltern und der ältere Bruder waren früh verstorben) und Schillers eigene unerfüllte Liebe zu Charlotte von Wolzogen, der Tochter der Gräfin Wolzogen, die ihm ihr Gutshaus in Bauerbach in Thüringen kostenlos als Asyl zur Verfügung gestellt hatte, aber einer Verbindung des Theaterdichters mit ihrer adligen Tochter nicht zustimmen mochte, lehrten Schiller, dass die Realität weitaus schlimmer ausfiel als über weite Strecken die Erstfassung seines Dramas von der „Luise Millerin“, das später auf Vorschlag Ifflands den Namen „Kabale und Liebe“ bekommen sollte. Schiller jedenfalls schrieb sein Stück schon während seiner Zeit in Woltersdorf und dann in Bauerbach noch einmal gründlich um, passte es der Realität derart genau an, dass im Drama einer der Protagonisten mit dem ärgsten Standesdünkel den Namen von Kalb verpasst bekam. Womit Schiller jedoch nicht rechnete, war die Peinlichkeit, dass ausgerechnet jener von Kalb mit seiner frisch angetrauten Charlotte im Publikum des Mannheimer Theaters zur Uraufführung saß. Und um das Fass der Peinlichkeiten noch zum Überlaufen zu bringen, Schiller erhielt nach der erfolgreichen Uraufführung in Mannheim eine Einladung zum anschließenden Empfang in der Wohnung der von Kalbs. Der Herr Major, dem Kartenspiel und Wein zugetan, interessierte sich ohnehin nicht für Literatur und Charlotte von Kalb ging eigene Wege. Zielgerichtet beginnt sie mit Schiller in Mannheim, während ihr Mann wieder in seine Kaserne ins Lothringische einrückt, ein Verhältnis, von dem Schiller in vielfacher Hinsicht profitieren wird. Sie macht ihn in Sachen Kleidung und in seinem Auftreten „gesellschaftsfähig“ und führt ihn durch Vermittlung des hessischen Herzogs bei dem Weimarer Herzog ein. Auch seinen Schreibstil und seine Art vorzutragen, beeinflusst sie entscheidend, sogar zum Teil mit Wirkung für künftige Werke. Auf ihre Anregung und Kritik hin, schreibt Schiller sein Staatsdrama „Don Carlos“ komplett in Jambenform um, überzeugt bei Hofe und wird vom Weimarer Herzog zum Hofrat ernannt.

Jahre später gewinnt die Affäre mit Charlotte von Kalb während Schillers Aufenthalt in Weimar noch einmal an Intensität. Sie wird im Übrigen vom Ehemann toleriert, sodass Schiller sogar darüber nachdenkt, dem Major „eine Ehe zu dritt“ vorzuschlagen. Solange das Ganze ohne öffentlichen Skandal arrangiert werden könnte, hatte Major von Kalb nichts dagegen. Doch bevor es so weit kam trat die entscheidende nächste Frau Charlotte in Schillers Leben: Charlotte von Lengefeld, Schillers spätere Ehefrau. Es kommt zu einer hässlichen Trennung zwischen Schiller und Charlotte von Kalb. Dieser Bruch bleibt jedoch nicht endgültig Jahre später entsteht zwischen beiden ein freundschaftliches Vetrauensverhältnis. Charlotte von Kalb stirbt, erblindet an einem Augenleiden und verarmt in Berlin und hat dennoch bis an ihr Lebensende Schiller nachgetrauert. Schiller durfte dank ihrer Schule gesellschaftsfähig werden und hat ihr unendlich viel zu verdanken. Für uns und die Literatur war dieses Liebesverhältnis zwischen den beiden ein Glücksfall!

 

Christian Gottfried Körner (1756 - 1831), Dora Stock (1760 - 1832) und ihre Schwester Minna (1762 - 1843) - zu diesen drei Personen fällt mir vor allem spontan ein Schiller Zitat aus der Ode an die Freude ein: "Eines Freundes Freund zu sein ..., der stimme in den Jubel ein....!" In diesen Kreis gehört auch noch eine vierte Person, die am Rand vor allem wegen Schillers späterer Zeit in Leipzig nicht unerwähnt bleiben sollte: Ferdinand Huber (1764 - 1804). Auch der dritte Anlauf Schillers, in Mannheim als Theaterschriftsteller zu reüssieren, scheitert letztendlich. Daran ändert auch sein Erfolg mit seinem Drama 'Kabale und Liebe' nichts. Den Fiesco hätte Schiller den Mannheimern ruhig noch ein Dutzend mal aufführen können, Struktur und Aussage des Staatsdramas blieben ihnen fremd und der Don Carlos war ihnen einfach zu anstrengend. Stattdessen gab man Lustspiele leichtester Art, richtige "Schenkelbrecher" mit Volksschauspielcharakter. Eines gestaltete Regisseur Iffland mit dem Schauspieler Beil dergestalt um, dass man Schiller persiflierte und in der gesamten Stadt lächerlich machte. Teile des Nationaltheaters intregierten gegen Schiller, Reichsfreiherr von Dalberg hielt sich mal wieder nicht an seine Zusagen. Schiller selbst erkrankte sehr schwer an einem  malariaähnlichen Fieber, an dem viele in der Stadt starben. Er arbeitete dennoch weiter bis zur Besinnungslosigkeit. Die junge Frau des Schauspielers Beck, einem seiner engsten Freunde im Theater, starb ebenfalls an diesem Fieber und Schiller eckt in Mannheims Gesellschaft an, als er sich für eine angemessene Totenfeier und Beisetzung einsetzt. Krank, schwer gezeichnet und angeschlagen durch Misserfolge und Intrigen, drohte Schillers Ende, als jetzt auch seine Stuttgarter Verbindlichkeiten und Teile seiner Schuldenlast aus Bauerbach und Mannheim fällig werden, man Freunde, die für ihn gebürgt hatten, in Haft nimmt  und sein Vater in Baden-Württemberg, wo Schiller nach wie vor die Verfolgung durch den Herzog als Fahnenflüchtiger fürchten muss, ihm jede Unterstützung verweigert und ihm nur Vorhaltungen macht und seine Rückkehr fordert. Schließlich verlängert Intendant Reichfreiherr von Dalberg Schillers Vertrag als Theaterdichter nicht mehr.

Vorstellbar wäre in dieser Phase von Schillers Leben sein frühes Ende durch Frohnbote (Gerichtsvollzieher), Schuldturm, Krankheit und Tod gewesen. Da erreicht ihn über einen Bekannten seines Buchhändlers und Mannheimer Verlegers Schwan, der von der Leipziger Buchmesse zurückkehrt, im Mai 1784 ein Paket, das für Schillers Leben und Schaffen eine ungeheure Bedeutung bekommen sollte! Inhalt: Vier Briefe von Schiller gänzlich unbekannten Personen, die sich in höchsten Tönen lobend über seine Arbeit auslassen und nichts sehnlicher als seinen Erfolg und ihn persönlich kennenzulernen wünschen. Beigefügt kleine Portraits, Handarbeiten und Aufmerksamkeiten, mit denen vor allem Dora und Minna ihre Bewunderung für den Dichter ausdrücken wollen. Schiller ist zutiefst gerührt: "Die Geschenke waren das Angenehmste, was mir - vor und nach - in der ganzen Zeit meiner Schriftstellerei widerfahren ist." Körner, ein hoher sächsischer Regierungsbeamter, der zudem geerbt hat und im bürgerlichen Sinn durchaus als wohlhabend betrachtet werden kann, geht ein Jahr später noch weiter, als er Schiller sehr konkret mit den Worten einlädt: "Es schmerzt uns, dass ein Mann, der uns teuer ist, Kummer zu haben scheint. Wir schmeicheln uns, ihn lindern zu können, und dies macht uns Ihre Freundschaft zum Bedürfnis." Als Körner und Schiller sich persönlich in Loschwitz, auf dem Weingut von Körner kennenlernen, erhält Schiller sogar das Angebot auf finanzielle Unterstützung für ein ganzes Jahr, damit er ohne finanzielle Zwänge seine literarischen Projekte vorantreiben könne. Körner schreibt nach dem Treffen an Schiller: "... Sobald du im mindesten in Verlegenheit bist, so schreibe mit der ersten Post und bestimme die Summe, Rat kann ich einmal schaffen." Körner hielt Wort und es entstand zwischen Körner (der am 7. August 1785 seine Minna Stock heiratete) und den beiden Schwestern Minna und Dora eine lebenslange enge und sehr vertraute Freundschaft zu Schiller. Schade nur, dass unserem Schiller zum Dank nichts Geniales für das Hochzeitsgedicht Körners eingefallen ist, denn da müssen wir den platten Versen mit Verwunderung und Kopfschütteln folgen, die da lauten:

"Glücklich macht die Gattin nur/Die für dich nur lebet/Und mit herzlichster Natur/Liebend an dir klebet..."

Weinbörner erster Schiller Roman bei Langen Müller 002Aber lassen wir dieser großen Freundschaft Gerechtigkeit widerfahren! Ihr verdanken wir nicht nur eine der glücklichsten Phasen in Schillers Leben, wo man ihn bei guter Gesundheit, sogar modebewusst mit dem "Schillerkragen" auf zeitgenössischen Gemälden u.a. des Dresdner Malers Graff bewundern kann, sondern wo er uns auch mit der "Ode an die Freude" eines seiner schönsten Gedichte hinterlassen hat, das durch Beethoven in seiner letzten Symphonie, der Neunten, unsterblich gemacht wurde.

Hier seien noch ein paar Daten nachgetragen: Anna Maria Jakobina Stock (genannt Minna) (1762-1843) war die jüngere Tochter des bekannten Dresdner Kupferstechers Johann Michael Stock. 1785 heiratete sie den Oberkonsistorialrat Gottfried Körner, der in Dresden als Rat der höchsten Regierungsstelle für Kirchen- und Schulfragen vorstand und zugleich als Assessor der Landesökonomie-, Manufaktur- und Kommerziendeputation angestellt war. Ihr erster Sohn starb in seinem ersten Lebensjahr an Scharlach. Zwei Jahre später, 1788, bekam das Paar eine Tochter, die auf den Namen Emma getauft wurde. Minna Körner wurde 91 Jahre alt und starb als hochbetagte Greisin in Berlin. Die ältere Schwester Johanna Dorothea Stock, genannt Dora (1760 - 1832) litt unter einer körperlichen Behinderung, erfuhr dennoch weitgehende Förderung durch ihren Vater, der ihr eine Ausbildung an der Leipziger Mal-Akademie (u.a. bei Anton Graff s. Schiller Portrait) ermöglichte. Sie wurde eine ausgezeichnete Portraitmalerin. Überliefert sind von ihr u.a. ein Portrait von Graff und ein Pastellbild von Schiller. Dora war eine sehr lebenslustige Person, blieb jedoch Hubers "ewige Verlobte", der sie schließlich auch sitzen ließ, was Schiller nicht gefiel. 1816 fand in Berlin eine letzte Vernissage von ihren Bildern statt. Sie starb im 72 Lebensjahr in Berlin.

 

Dalberg: Wolfgang Heribert Freiherr von Dalberg (1750-1806): Für Schiller ist der Intendant des Mannheimer Theaters insofern von besonderer Bedeutung, weil unter seiner Intendanz ‚Die Räuber‘ uraufgeführt wurden. Allerdings gehen auf ihn auch die beträchtlichen Umarbeitungen an dem Stück für die Bühnenfassung und die Verlegung des Stückes in das Mittelalter zurück. Schiller hatte zu ihm in den Anfangsjahren kein einfaches Verhältnis, da er als entflohener Regimentsmedikus unter schwierigsten finanziellen Verhältnissen sein Dasein fristen musste und Dalberg seine Zusagen ihm gegenüber nicht einhielt. Erst im März 1783 suchte Dalberg wieder Verbindung mit Schiller und stellte ihn für ein Jahr als Theaterdichter an. Auch dieses Verhältnis endete eher unglücklich. Schillers Vorstellung von einem freien Dichter passte im eigentlichen Sinne nicht zu Dalbergs Auffassung von einem Volks- und Nationaltheater. Betrachtet man im Nachhinein die Beziehung Schillers zu dem standesbewussten und eher politisch denkenden Intendanten von Dalberg und die ganz andere Beziehung zu dem Schiller freundschaftlich und fachlich verbundenen Regisseur Meyer des Mannheimer Nationaltheaters und dem Förderer und "Forderer" Schwan (Buchhändler und Verleger), treten Schiller Stärken, sein unbändiger Wille, den Erfolg zu zwingen und sich durch nichts aufhalten zu lassen sowie seine nie versiegende Fantasie, aber auch seine Schwächen deutlich zutage. Denn auf der anderen Seite fehlte es ihm an jeglicher solider Theatererfahrung und Ausbildung; es fehlte ihm an Geschichtswissen und Studium der Literatur und Philosophie. Alles, was er war, brachte er durch die frühkindliche Fürsorge seiner Mutter und den erzwungenen Lernritualen der Karlsakademie sowie den begrenzten Fördermöglichkeiten seiner wenigen wohlgesinnten freiheitlich denkenden Lehrer ein. Schiller musste ein riesiges Pensum nachholen und wurde - trotz seines Talentes wegen der noch offensichtlichen Mängel auch bei den auf Stand ausgerichteten Umgangsformen, nicht als ebenbürtig wahrgenommen. Dies änderte sich erstmals ein wenig zu seinen Gunsten nach Abschluss seiner intensiven Arbeiten und Selbststudien in seinem Bauerbacher Asyl. Er machte riesige Fortschritte - und was ihn auszeichnete - er machte sie ganz auf sich allein gestellt. Etwas, das Dalberg und Iffland, aber auch später Goethe fremd blieb und ihnen den Zugang zur Person Schillers erschwerte, der so ganz anders dachte und arbeitete.

Iffland: August Wilhelm Iffland (1759-1814): Gleichaltrig zu Schiller, sollte Iffland ebenso wie Schiller auf Wunsch seiner Eltern Theologie studieren. Iffland setzte sich aber im Februar 1777 heimlich nach Gotha ab, um sich dort am Hoftheater um sein erstes Engagement zu bewerben. Im März 1777 stand er bereits das erste Mal auf der Bühne. Nach Auflösung des Gothaer Hoftheaters wurde er für das Mannheimer Nationaltheater geworben. Dort spielte er bei der Uraufführung der ‚Räuber‘ die Hauptrolle. Sein Verhältnis zu Schiller in dieser Zeit ist durchaus als schwierig zu betrachten. Er selbst schreibt ebenfalls Theaterstücke mit eher volkstümlichem Charakter, die das Publikum unterhalten und die Theaterkasse füllen sollen. Schiller und er gerieten über seine flachen Dialoge einerseits und Schillers hochfliegenden Ansprüche andererseits, die vom Theater kaum zu realisieren waren, häufig in Streit. Schiller rechnete sich große Chancen darauf aus, als Theaterdichter von einem festen Einkommen überleben zu können. Doch Iffland spekulierte zur gleichen Zeit auf diese Position. Er spann einige üble Intrigen gegen Schiller und stellte ihn zuletzt in einem Lustspiel in der Mannheimer Öffentlichkeit bloß. Schillers Vertrag als Theaterdichter in Mannheim wurde von Dalberg nicht verlängert. Dabei erkannte Iffland sehr wohl die besondere Begabung des Friedrich Schiller und suchte Jahre später immer wieder Kontakt zu ihm. Im November 1796 wurde Iffland Direktor des Berliner Nationaltheaters, und sein Ziel war es fortan, Schiller in eine engere Verbindung zu Berliner Bühne zu bringen. Anlässlich Schillers Aufenthalt in Berlin organisierte er ‚Schillertage‘ mit Aufführungen, unter anderem die großartig angelegten Aufführungen der ‚Jungfrau von Orléans‘ am 06. und 12. Mai 1804 in Anwesenheit der preußischen Königin Luise auf dem Gendarmenmarkt mit 200 Personen als Komparsen für den Krönungszug. Das Publikum war begeistert und feierte Schiller mit frenetischem Jubel. Iffland wollte Schiller seine Bewunderung zollen und all seine Möglichkeiten zur Darstellung der Werke dieses von ihm inzwischen umworbenen Dichters ausschöpfen. Doch allein seine Aufführung der ‚Jungfrau von Orléans‘ machte deutlich, wie wenig er Schiller verstand. Denn Schiller, selbst Ehrgengast in der Loge der preußischen Königin, war entsetzt über das, was er zu sehen bekam. Der ganze Aufwand war ihm zuwider und erinnerte ihn wahrscheinlich zu sehr an die Aufmärsche, zu denen er als junger Eleve an der Karlsschule zwangsverpflichtet gewesen war. Mit Mühe konnte seine Gattin Charlotte ihn davon abhalten, die Vorstellung vorzeitig zu verlassen. Schillers Kommentar: Man habe den ‚Krönungszug‘ gegeben und nicht sein Drama, ‚Die Jungfrau‘. Der Vorfall minderte nicht den Gesamterfolg der ‚Schillertage‘ von Iffland in Berlin. Der preußische König unterbreitete Schiller ein – auch finanziell – verlockendes Angebot, als Theaterdichter nach Berlin überzusiedeln. Doch Schiller entschied sich schließlich für Weimar, als der dortige Herzog ihm seine Zuwendungen verdoppelte. Iffland gilt wohl zu Recht als einer der bedeutendsten Bühnenschauspieler seiner Zeit.

 

Charlotte von Schiller (geb. von Lengefeld) *1766 - + 09.07.1826: Zunächst einmal die Information: Das Grab von Charlotte von Schiller befindet sich auf dem Alten Friedhof der Stadt Bonn (liegt in der Nähe des Stadthauses). Von ihrer letzten Wohnung in Bonn -ganz in der Nähe des Schlosses, heute Universität, im modernen Gebäudekomplex, in dem früher die große Bonner Buchhandlung Bouvier zuhause war - findet man, wenn man aufmerksam sucht und hinschaut, noch eine Gedenkplakette an der Hauswand.

Wer sich für die Lebensgeschichte der Charlotte interessiert - es gibt eine Reihe guter Bücher. Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich einfach mal zwei nenne, die ich interessant, persönlich spannend und informativ hilfreich fand: Weniger bekannt, aber mit einer persönlichen Note geschrieben, die ich bei der Lektüre schätzen gelernt habe, ist das Buch von Utta Keppler, Charlotte von Schiller/Ein biographischer Roman, erschienen bei Stieglitz in Österreich 1986. Das zweite Buch ist schon etwas schwergewichtiger und in die Tiefe gehend: Hansjoachim Kiene, Schillers Lotte, Portrait einer Frau in ihrer Welt, eine Biographie, 1984, bei Droste, Düsseldorf, erschienen.

Charlotte überlebte ihren Mann um 21 Jahre. Nach Schillers Tod wirkte sie zunächst erschöpft, geradezu apathisch und unfähig, sich um notwendige Angelegenheiten zu kümmern oder Anstoß beispielsweise am Verhalten Goethes zu nehmen. Dass der plötzliche Tod sie mit den Kindern in dem frisch bezogenen Haus in Weimar an der Esplanade in finanzielle Bedrängnis bringen würde, lag auf der Hand, denn jede Zahlung des Herzogs, die bisher für Schiller gewährt worden war, wurde an die Witwe eingestellt. Zunächst kümmerte sich Schillers Freund Wolzogen, der Caroline geheiratet hatte, um dieses Problem. Als hochrangiger Weimarer Hofbeamter erwirkt er eine finanzielle Unterstützung der Ausbildung der Söhne aus den Mitteln der Erbprinzessin. Schillers Freund und Verleger Cotta erweist sich tatsächlich als Freund und streicht die Schiller gewährten Vorschüsse - jetzt ja in der Buchführung des Verlages offene Minusbeträge - erlässt Charlotte damit sämtliche Schulden. Er bietet ihr sogar an, mit ihren Kindern zu ihm nach Tübingen zu ziehen, wo er sich um die Ausbildung der Kinder kümmern wollte. Charlotte bleibt aber in Weimar, nur ein Sohn - Rudolf - fährt mit Cotta. Doch Rudolf befällt großes Heimweh und er wird von seiner Mutter in Weimar wieder aufgenommen. Zacharias Becker, ein Rat in Gotha (die dort ein tolles historisches Theater im Schloss haben!) und Iffland (!)haben die Idee eines "Nationaldankes" an Schiller und organisieren Benefizvorstellungen an den großen Theatern, deren Einnahmen der Familie Schiller zufließen. Dies garantierte, dass Charlotte keine Not leiden musste, aber es ging ihr zunächst aber auch wirtschaftlich nicht gut. Streitigkeiten mit Goethe über die Rechte und die Herausgabe und Vergütung der Korrespondenz mit Schiller u.ä. machten die Sache nicht besser. Aber es gab schließlich Neuauflagen der Schillerschen Werke , die Beträge einbrachten, allen voran Cotta, der in den Jahren zwischen 1812 bis 1825 an Lotte 30.000 Taler zahlte. Nach dem Tod Schillers sieht Charlotte ihre Hauptaufgabe in der Erziehung der Kinder und in der Sicherung der bestmöglichen Ausbildung. Sie bemüht sich, die Tragik des Schicksalsschlages, den sie erleiden musste, nicht durch düstere Trauerarbeit, die Kinder spüren zu lassen. Und sie übersteht die Kriegsjahre unter napoleonischer Besetzung und der Befreiungskriege unbeschadet. Mitte der 1820er Jahre war es ein schweres Augenleiden (sie kann kaum noch lesen, ist fast blind), das sie nach Bonn führt. Sie begibt sich dort in die Hände des Chirurgen Professor von Walther. Es heißt, die OP sei gelungen, und Lotte habe Menschen, die sich ihrem Bett genähert haben erkannt. Dann bekommt sie Kopfschmerzen und verstirbt in der Nacht. Sie wollte noch neben ihrem Mann in Weimar beerdigt werden. Dazu ist es nicht mehr gekommen. Am 09. Juli 1826, gegen 2:00 Uhr stirbt sie und wird auf dem Alten Friedhof in Bonn beigesetzt. Ernst von Schiller, Schillers zweitältester Sohn, der ihm am ähnlichsten sah, starb 15 Jahre danach mit nur 45 Jahren an Tuberkulose (Alter und Todesursache sind fast mit Schiller vergleichbar). Seinem Wunsch entsprechend wurde er neben seiner Mutter auf dem Alten Friedhof in Bonn beigesetzt.

Schiller und seine Frau, haben sich trotz der Irritationen um die Menage à trois mit Caroline, Charlottes älterer Schwester, wirklich geliebt und bis zum letzten Atemzug unterstützt und beigestanden. Und ja, trotz aller Irritationen, Schiller soll seinen Kindern ein fürsorglicher Vater gewesen sein und stets um das Wohlergehen seiner Familie besorgt - vor allem auch um Vorsorge bemüht, für den Fall, dass ihm etwas zustoßen könnte. Aber, wenn man einmal Charlotte von Lengefeld (seine Frau) und Schiller mit ihren Lebensläufen betrachtet, muss man auch feststellen, wie unterschiedlich beide "gestrickt" gewesen sein müssen. Charlotte gehörte nach dem Tod ihres Vaters und mit einer Mutter, die als herzogliche Erzieherin bei Hofe und adlige Hofdame arbeitete zum armen Landadel und wurde in dieser Rolle auch rückständig und behütet erzogen. Ihre Aufgabe im Leben war es, eine adlige, bessere Partie zu machen und am Weimarer Hof eine Rolle zu spielen. Sie wird sich nicht mit sozialen Fragen, Menschenrechten und der Politik beschäftigt haben und die wenigen Gelegenheiten, die sich ihr boten, sich dennoch ein Bild von der Welt zu machen, genutzt haben. Besonders interessant in diesem Zusammenhang: Charlotte ist auf eine der wenigen Bildungsreisen am 7. Mai 1783 als Gast des Herzogs auf der Carlsschule in Stuttgart gewesen. Zu dieser Zeit war Schiller dort zwar nicht mehr Eleve, aber erst seit 3 Jahren dort entlassen und ein Jahr zuvor mit seiner Uraufführung der "Räuber" zum Star geworden und erst wenige Monate zuvor fahnenflüchtig aus Stuttgart geflohen. Das Schicksal und die Geschichte dieses Draufgängers von einem Sturm und Drang Dichter und verhinderten Württembergischen Offizier war damals in aller Munde. Darüber notierte Charlotte aber nichts in ihrem Reisebericht. Vielmehr schrieb sie über die Carlsschule: "Es wird einem nicht wohl zu Muthe, Menschen wie Drahtpuppen behandelt zu sehen..."

 

Goethe - Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832) / späte Dichterfreundschaft zu Friedrich Schiller: Hier eine kleine Anekdote, die keinen Eingang in meinem Roman gefunden hat, die aber eine Art von Vertrautheit im Umgang miteinander bei der literarischen Arbeit zwischen den beiden großen deutschen Dichtern zeigt, die ich nicht vorenthalten möchte. Zudem eine ganz unterhaltsame Geschichte! Im Frühjahr 1994 machten Archivare in der der Stiftung Weimarer Klassik in einem Seitenflügel des Schlosses Ettersburg einen einmaligen Fund. Sie entdeckten bislang unbekannte Dokumente. Dokumente, die deutlich machen, wie modern und seiner Zeit vorausdenkend Schiller damals war. Dokumente, die in besonderer Weise das Arbeits- und Freundschaftsverhältnis zwischen Schiller und dem großen Goethe beleuchten. Für mich gilt Schiller seitdem als der eigentliche Urheber der durch George Orwell berühmt gewordenen Novelle ‚Animal Farm‘.

In einem Band aus Schillers Werken von 1801 fanden sich persönliche Anmerkungen Schillers und – unglaublich! – Zeichnungen. Diesem Band lag zudem ein verschnürtes Päckchen bei, das einen Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe enthielt. In diesem Briefwechsel mit Goethe gesteht Friedrich Schiller eine schriftstellerische Krise bei seiner Arbeit an den Wallenstein Dramen und seinem – aus Verzweiflung geborenen -  Beschluss, fortan seine Dramen in die Welt der Enten und Mäuse zu verlegen. Lange vor ‚Entenhausen‘ und ‚Animal Farm‘ spielte Schiller tatsächlich mit einer Idee, für die erst hunderte Jahre später die Zeit reif werden sollte. Vielleicht dachte er auch an so etwas wie ‚V-Effekte‘ (Brecht: Verfremdungseffekte) für die Bühne.

Goethe widersprach ihm heftig, machte Bedenken geltend. Schiller hat, wie wir wissen, dann seine Absichten wieder fallen gelassen und ‚Wallenstein‘ spielte schließlich trotz Schillers Niedergeschlagenheit und Schaffenskrise unter Menschen.

Die aufsehenerregenden Dokumente wurden erstmals in der Ausstellung „Überall ist Entenhausen“ im Sommer 1994 in der Orangerie des Schlosses Belvedere in Weimar der Öffentlichkeit gezeigt.

Hier das Antwortschreiben von Goethe:

„Wertester Freund, mein lieber Schiller,

was muss ich hören, was muss ich lesen:

Ihr beabsichtigt, Euer neues Drama mit tierischen, anstatt mit menschlichen Charakteren zu exekutieren? Wohl erkenne ich einen gewissen Zug der Übertreibung, der diesem Werke, das Ihr als „die Piccolo – Minnie“ zu betiteln gedenket, innewohnt. Wolltet Ihr Euch nun solcher Art für Euer restliches Erdendasein als Enten – und Mäusedichter bespötteln lassen und riskieren von bösartigen Impresarii Eurer sonstigen Werke beispielsweise als „Jeanne Duck“ oder, schlimmer noch als „Die Mäuser“ verunstalten zu lassen?

Wertester, liebster Scheller: schlagen Sie sich Enten und Mäuse als Protagonisten aus dem allerwertesten Kopf! Der Misserfolg eines solchen Unterfangens wird nicht ausbleiben können.

Bester Schiller, blicket tiefer,

Mäuse sind doch Ungeziefer!

Enten man am besten berate,

lieber Freund, ich dringend rate:

Lass die Tiere Tiere sein,

die bringen nichts als Ärger ein.

Die Wege würde gleich zur Bahre,

denn Mäuse taugen nicht zur Ware.

Dies rät Euch eindringlichst allerwertester Freund

Goethe

 

 

Siehe auch Texte zu den Zeitgenossen Schillers unter dem Link "Die Stunde der Räuber" - Schiller und seine Zeitgenossen... Dort finden sich u.a. ausführlicher Hinweise zum Herzog von Württemberg... Diese Seite ist nach wie vor noch im Aufbau und wird von Zeit zu Zeit fortgeschrieben - daher schauen Sie doch hin und wieder mal vorbei... Es bleibt spannend und interessant.