LovelyBooks Leserunde 2019
auch als Arbeitsmaterial z.B. für Schulklassen bei der Romanlektüre geeignet
Auf dieser Seite sind viele spannende Zusatzinformationen für Leserinnen und Leser anlässlich der Leserunde bei LovelyBooks 2019 zusammengetragen worden. Diesen Roman haben die Gewinner der Ausschreibung der Leserunde mit Udo Weinbörner gelesen und im Netz diskutiert und bewertet. Unterlagen und Material können aber auch für andere Leser/innen und Schulklassen als Lektürehilfe interessant sein.
Achtung: Teil 2 - Der lange Weg nach Weimar erscheint im Spätsommer 2020 im Fehnland Verlag, Hamburg!
Am 16. August 2019 begann für mich die erste Leserunde bei Lovelybooks.de, in der ich mit dem neuen Roman „Die Stunde der Räuber“ an den Start ging und in sechs Wochen mit 20 Leserinnen und Lesern gemeinsam in festgelegten Abschnitten den Roman gelesen und über den Text diskutiert habe. Eine neue Erfahrung für mich, eine spannende Begegnung im „Netz“ inhaltlicher Art, jenseits der einseitigen Werbe- und Marketingmaßnahmen von Autoren und Verlagen.
Da ich mich aktiv in die Leserunde als Autor einbringen wollte und dies beim ersten Mal auch mit großem Engagement – sollte diese Seite dazu dienen, die Teilnehmer/innen an der Leserunde mit zusätzlichen Informationen zu dem Buch und den jeweiligen Kapiteln, die sie lasen, zu versorgen. Als ich schon einmal dabei war, mir diese Arbeit zu machen, dachte ich mir, dass ein solches Angebot auch für andere Leser/innen sinnvoll und interessant sein kann. Daher an dieser Stelle exklusiv für die Teilnehmer/innen an der Leserunde von LovelyBooks und für meine gesamte sonstige „neugierige“ Leserschaft zusammengestellt, Verständnisfragen, Zusatzinformationen, Lektürehilfen und ein kleiner Wissenstest zum Schluss. Viel Freude damit!
Hier gegliedert nach den Unterthemen der Romanlektüre
(aus der Leserunde LovelyBooks):
- Leserunde ‚warm up‘: Wie gefällt euch das Cover?
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- Hier meine kleine Geschichte dazu: Ein kleines "Geheimnis" möchte ich zum Layout lüften. Mein Verleger hat mich Vorschläge unterbreiten lassen (was keineswegs selbstverständlich ist!) und diesen Vorschlag von mir hier mit dem Layouter umgesetzt. Die Besonderheit ist der Hintergrund. Das ist nicht irgendein Gelb oder zerknittertes Papier, das ist das Papier und die Farbe der antiquarischen Erstausgabe des Schiller Dramas "Die Räuber", das ich da von Schillers Original kopiert und als Vorlage für den Roman genommen habe.
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- Leseabschnitt 1 Seite 3 bis Seite 99 Erstes Buch Kap. 1 bis Kap. 9
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- Auch, wenn die Zeit um 1763 nicht mit der unsrigen vergleichbar ist hinsichtlich der Lebensumstände, des Wertesystems und der politischen Verhältnisse: Ist das Leiden Schillers mit seinem Eintritt in die Militärpflanzschule des Herzogs und die empfundenen Ungerechtigkeiten nachvollziehbar?
- Wie wirken Herzog und Mätresse auf euch als Leser?
- Zitate aus den Werken Schillers und von Zeitgenossen, die ich in den Text eingearbeitet habe, sind kursiv gesetzt und für den Leser als solche erkennbar. Mit diesem Mittel wollte ich einen möglichst engen Bezug zur damaligen Zeit herstellen, ohne den Lesefluss zu hemmen und es in eine literaturwissenschaftliche Vorlesung ausarten zu lassen. Was haltet ihr davon?
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Hier ein paar kleine Zusatzinformationen: Was ist später aus den Personen geworden?
Herzog: Karl Eugen Herzog von Württemberg (1728-1793): Förderer und Tyrann in Schillers Leben zugleich. Keine Frage, zu seiner Zeit ein Herrscher von Gottes Gnaden und der Albtraum jener nach Freiheit strebenden Eleven seiner Akademie. Man könnte ihn als einen brutalen Despoten, einen maßlosen Herrscher bezeichnen, der zur Gewalt neigte, der aber andererseits zugleich ein hochbegabter, vielseitig interessierter, rastloser Fürst war. Ganz der absolute Herrscher, hat er Schiller von dem Delikt seiner Fahnenflucht auch viele Jahre später nicht begnadigt und dennoch war da mehr zwischen seinem ehemaligen Karlsschüler Friedrich Schiller und ihm, dem Herzog, als Hass. In der Zweiten Hälfte des August 1793 machte Schiller einen Besuch in Ludwigsburg und bei seinen Eltern auf der Solitude, ohne beim Herzog anzufragen. Denn noch immer galt er ja als fahnenflüchtig und hätte festgenommen werden können. Eine schriftliche Bitte von Schiller an den Herzog, die Übersiedlung nach Ludwigsburg zu genehmigen, blieb von diesem unbeantwortet. Dies mochte einerseits an der örtlichen Abwesenheit von Karl Eugen gelegen haben, zeigte vor allem aber wohl, wie konsequent der Herzog seinen mittlerweile berühmten Schüler seit durch Missachtung zu strafen versuchte. Er erklärte nämlich öffentlich, er werde Schiller ignorieren. Mit Zitaten von Zeitzeugen werfe ich ein Licht auf das Ende des Lebens von Karl Eugen von Württemberg, so berichtete Friedrich von Hoven in seinen Lebenserinnerungen: „Während Schillers Anwesenheit in Ludwigsburg starb Herzog Karl. Als einem Fremden, der mit dem Herzog in gar keine Verbindung mehr stand, hätte Schiller dieser Todesfall ziemlich gleichgültig sein können. Aber Dankbarkeit gegen seinen Erzieher und Achtung für einen durch so viele große Eigenschaften sich auszeichnen den Fürsten erregten seine wärmste Teilnahme an diesem für sein Vaterland so wichtigen Ereignis. Ich sah ihn bei der Nachricht, dass der Herzog krank und seine Krankheit lebensgefährlich sei, erblassen, hörte ihn den Verlust, welchen das Vaterland durch dessen Tod erleiden würde, in den berührendsten Ausdrücken beklagen, und die Nachricht von dem wirklich erfolgten Tode des Herzogs erfüllte ihn mit einer Trauer, als wenn er die Nachricht vom Tod eines Freundes erhalten hätte...“ Am 24. Oktober 1793 starb Herzog Karl Eugen in Hohenheim. In der folgenden Nacht wurde sein Sarg nach Ludwigsburg überführt. Schiller erlebte als Augenzeuge den nächtlichen Zug. Hoven schreibt hierzu folgende Äußerung Schillers: „Da ruht er also, dieser rastlos tätig gewesene Mann! Er hatte große Fehler als Regent, größere als Mensch; die ersteren wurden von seinen großen Eigenschaften weit überwogen, und das Andenken an die letzteren muss mit dem Toten begraben werden, darum sage ich dir, wenn du, da er nun dort liegt, jetzt noch nachteilig von ihm sprechen hörst, traue diesem Menschen nicht, denn er ist kein guter, wenigstens kein edler Mensch.“ Der Dichter und Professor Schiller zeigte menschliche Größe und keine blinde Rachsucht. Jetzt klangen die französischen Freiheitsrufe bereits über die französische Grenze ins Württembergische hinein, als der Herzog schwer um seine letzten Lebenstage ringend, stöhnend und von Atemnot und Schmerz gezeichnet, seinen Todeskampf antrat. Letzte Tage, wie man sie keinem wünschen möchte. Er litt an einer Urämie, gegen die seine Leibärzte machtlos waren. Zwar kannte man schon Blutuntersuchungen und konnte Entzündungsgifte feststellen, wusste auch um die Bedeutung der Nierenfunktion und den Bluthochdruck, aber helfen konnte man nicht mehr. Der Herzog flüsterte dem Hofgeistlichen zu: „Pfarrer, sterben ist kein Kinderspiel.“ Seine Geliebte Franziska von Hohenheim hatte er zwei Jahre zuvor zur Gattin und Herzogin gemacht. Sie saß an seinem Bett und hielt ihn im Arm. Nach dem Tod des Herzogs konnte sich Schiller in Württemberg frei bewegen.
- Leseabschnitt 2 Seite 99 bis Seite 168, Kap. 10 bis 15
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- Kann die Literatur auch heute noch ein ‚Fenster‘ oder eine ‚Tür‘ sein, die einen Weg aus der Unfreiheit weist? Macht sie bessere Menschen aus uns?
- Welche Bedeutung messt ihr dem Schubart für Schillers Entwicklung bei?
- Viele einzelne Szenen (beispielsweise beim Exerzieren, Theaterspielen vor dem Herzog, Schillers unordentliche Kleidung, Krankenstation) gehen auf überlieferte Geschichten und Anekdoten über Schiller zurück. Wird der Alltag in der Karlsschule so lebendig dargestellt?
- Hier ein paar kleine Zusatzinformationen: Zeitzeugen über die Karlsschule und Scharffenstein über Friedrich Schillers Aussehen in Uniform:
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Verleger Friedrich Nicolai, aus Berlin, im Jahr 1781: Es hatte ein sehr seltsames Ansehen, wenn nach geendigtem Gebete und entfalteten Händen, jeder nach dem Tempo seinen Stuhl ergriff und ihn mit so schnellem und gleichem Geräusche rückte und sich darauf setzte, als wenn ein Bataillon das Gewehr abgefeuert, ja, ich glaube, sie fuhren auch nach dem Tempo, mit dem ersten Löffel in die Suppe.
Charlotte von Lengefeld (Schillers spätere Frau am 17. Mai 1783): Der Tagesablauf ist minutiös geregelt. Es wird einem nicht wohl zumute, Menschen wie Drahtpuppen behandelt zu sehen.
Scharffenstein, engster Freund Schillers an der Karlsschule, später General: Nicht, dass Schiller als Soldat in Uniform eine ansehliche Figur abgegeben hätte. Wie komisch sah mein Schiller aus! Eingepresst in der Uniform, damals noch nach dem alten preußischen Schnitt, steif und abgeschmackt! An jeder Seite des Kopfes hatte er drei vergipste Rollen, der kleine militärische Hut bedeckte kaum den Kopfwirbel, in dessen Gegend ein dicker falscher Zopf gepflanzt war, der lange Hals war von einer sehr schmalen Binde aus Rosshaar eingewürgt. Das Fußwerk war vorzüglich merkwürdig: Durch jenem, den weißen Gamaschen unterlegten Filz, steckten seine dünnen Beine wie in einem Zylinder. In den Gamaschen, die ohnehin mit Schuhwichse sehr befleckt waren, bewegte er sich, ohne die Knie recht biegen zu können, wie ein Storch. Dieser ganze, mit der Idee von Schiller so kontrastierende Apparat, war oft nachher der Stoff zu tollem Gelächter in unseren kleinen Kreisen.
- Leseabschnitt 3 Seite 168 bis Seite 214, Kap. 16 bis Zweites Buch Kap. 2
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- Schiller rebelliert gegen die erneut erlittene Unfreiheit, als er als Absolvent der Karlsschule weiterhin als Wundarzt beim Regiment Augé seinen Dienst versehen muss. Schiller als ‚Stürmer und Dränger‘, ein Säufer, Schuldenmacher, bei Prostituierten, ein lärmender Bürgerschreck. Verständlich angesichts des Vorlaufs der Handlung im Roman? Habt ihr Schiller schon mal von dieser Seite gesehen? Was denkt ihr über ihn?
- Hat er oder hat er nicht mit der Majorswitwe Vischer? Es gibt seine Liebesgedichte und es gibt Zeitzeugenaussagen … Die Literaturgeschichte und Schiller selbst geben sich etwas vornehm zurückhaltend. Feststeht, dass die Witwe Vischer einige Zeit nach Schillers Auszug bei ihr, einen Prozess durchstehen musste wegen eines Verhältnisses zu einem ihrer jungen Untermieter, von dem sie schwanger geworden war. Überzeugt meine Darstellung und Entscheidung für das Verhältnis?
- Hierzu Scharffenstein als Zeitzeuge:
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Ein gutes Weib, das ohne im Mindesten hübsch oder sehr geistvoll zu sein, etwas Gutmütiges, Anziehendes und Pikantes hatte. Aber seine Junggesellenbude dort, wo er mit dem Kapf hauste, nichts als ein nach Tabak und allerhand stinkendes Loch. Nichts gab es dort, außer einem groben Tisch, zwei Bänken und einer an der Wand hängenden schmalen Garderobe. In den Ecken lagen ganze Ballen von Manuskriptseiten der ‚Räuber‘ und in einem anderen Haufen purzelten Kartoffeln, leere Teller und Brotreste durcheinander. Keine sauberen Verhältnisse, weder in der einen, noch der anderen Hinsicht – weiß Gott nicht!
- Leseabschnitt 4 Seite 215 bis Seite 262, Kap. 3 bis 4
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- Was wäre wohl aus Schiller geworden, hätte ihm der Herzog die ersehnte Freiheit gewährt, sich nicht mehr in Regimentsuniform mit einem schmalen Gehalt verdingen zu müssen, sondern vielleicht sogar eines Tages als Arzt in Stuttgart niederlassen zu dürfen? Haben wir vielleicht heute dem despotischen Vorgehen des Herzogs zu verdanken, dass es den großen Dramatiker und Dichter Schiller überhaupt gibt?
- Wie haben euch die Spannungselemente um die ‚Jesuiten-Intrige‘ am württembergischen Hof gefallen? (Die Auseinandersetzung von Kirche und Staat mit dem Orden der Jesuiten war damals tatsächlich ein sehr bewegendes Thema.)
- Hier - Zeitzeuge Friedrich Wilhelm von Hoven, Eleve und Schillers Freund aus frühesten Kindheitstagen über Schiller als Wundarzt:
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An diesem Wundarzt hätte der Herzog ohnehin nicht reich werden können. Auch wenn unsere Ausbildung nicht in allen Belangen als gut zu bezeichnen war, Schiller gab keinen guten Arzt ab, wenn man einmal von seiner Herzensbildung absah. Er selbst war sich durchaus darüber im Klaren und lebte in seinem Berufsstand mit schlechtem Gewissen. Bei ihm galt durchweg: Viel hilft viel! Interesse fürs Detail im Medizinisch-Menschlichen, hegte Schiller ohnehin nicht. Stattdessen mixte er für das Siechenregiment, dem er zugeteilt wurde, höllische Mixturen, die bei den Grenadieren, für die sie bestimmt waren, auf verschiedene Weise Eindruck hinterließen und von ihnen dank ihrer robusten Natur auch überlebt werden konnten. Besser war man dran, wenn man erkrankt darniederlag, Schiller aber nicht greifbar war, denn die Überlebenschancen mithilfe des eigenen wehrhaften Körpers konnten durchweg höher als die derjenigen nach erfolgter Behandlung beurteilt werden. Am besten war derjenige dran, der einfach seiner Hilfe nicht bedurfte.
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- Schiller als Selfpublisher mit Marketing- und Absatzproblemen:
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Schiller veröffentlichte schließlich – als er keinen Verleger und Drucker fand – seine ›Räuber‹ im Selbstverlag. Das verschlang viel Geld, Schiller machte Schulden: 150 Gulden. Diese Summe war viermal so viel, wie Schiller im Jahr verdiente, aber er war überzeugt davon, dass es sich um ein richtig gutes, ein politisch wichtiges Stück handelte. Diese Erstfassung -auch noch unter Pseudonym erschienen- verkaufte sich richtig schlecht und stapelte sich in den Ecken seiner Dreckbude bei der Vischerin. Der Weg bis zur Erstaufführung sollte noch steinig werden, da die Stärke des Stücks -seine politische Aussagekraft- gleichzeitig auch Verantwortliche für das Theater, wie den Freiherrn von Dahlberg in Mannheim, vor dem Risiko einer Skandalaufführung zurückschrecken ließen. Schiller musste sich schließlich Zähne knirschend darauf einlassen, wesentliche Teile der Handlung ins Mittelalter zu verlegen, um allein damit schon Parallelen zur Gegenwart zu vermeiden. Schiller schrieb die gewünschte Fassung, die in Mannheim noch einmal ohne sein Wissen für die Aufführung gekürzt und bearbeitet wurde.
- Leseabschnitt 5 Seite 262 bis Seite 363,Kap. 5 bis Kap. 12
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- Mit der historischen Figur des Generals Augé habe ich u.a. auch immer wieder humorvolle Szenen in die für den Protagonisten düstere Handlung eingestreut. Wie gefallen euch diese Szenen mit Humor und Witz (Stichworte ‚Podagra‘, ‚Courage und Fortune!‘)?
- Hat die Dramatik des Handlungsablaufs bis zur Uraufführung der ‚Räuber‘ genügend Witz und Fahrt, um aus der Aufführung und dem Triumph mit den Gedanken Schillers, den Höhepunkt des Romans zu machen?
- Mit was würdet ihr die Sensation, die die Theaterbesucher damals empfunden haben, heute vergleichen wollen?
- Zeitzeugen über Schillers Arbeit an dem Drama ‚Die Räuber‘:
- Georg Friedrich Scharffenstein, Freund: „Die Räuber schrieb er ohne Unterlass, zuverlässig, weniger um des literarischen Ruhms willen, als um ein starkes, freies gegen Konventionen ankämpfendes Gefühl der Welt zu bekennen. In jener Stimmung hatte oft zu mir geäußert: „Wir wollen ein Buch machen, das aber durch den Schinder absolut verbrannt werden muss!“
- Petersen, Freund Schillers auf der Karlsschule, später Bibliothekar: Sobald es um Literatur ging, verzehrte er sich! Wenn er dichtete, brachte er seine Gedanken unter Stampfen, Schnauben und Brausen zu Papier, eine befremdlich wirkende Gefühlsaufwallung. Allein diese kleine, wahre Begebenheit aus seiner Zeit an der Karlschule mag Beleg für seine Eigenart sein: Die ärztlichen Zöglinge der Akademie mussten am Ende ihrer Lehrjahre die Krankenzimmer besuchen und über die gehörige Pflege der Leidenden Aufsicht führen. Als Schillern einmal die Reihe traf, setzte er sich ans Bett eines Kranken. Statt diesen aber zu befragen und zu beobachten, geriet der Dichtende in solch brausende Bewegung und heftige Zuckungen, dass dem Kranken angst und bange ward, sein zugegebener Arzt möchte in Wahnwitz und Tobsucht verfallen sein. Er schrie aus Leibeskräften um Hilfe und war noch lange später kaum zu beruhigen.
- Zur Person des Christian Friedrich Daniel Schubart (1739-1791):
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Ein richtiger Draufgänger mit barocker Sprachgewalt. Er hatte in Aalen ein Mädchen, Katharina, sitzen gelassen, um sich, kaum in Geislingen angekommen, gleich wieder umzuschauen. Bereits am ersten Tag seines Aufenthalts machte er dem Oberzoller Bühler seine Aufwartung und verkündete ihm, er werde seine Tochter heiraten (die er, ganz nebenbei sei dies erwähnt, bislang nur vom Hörensagen kennt). Der Bühler zeigt sich verständlicherweise nicht sofort einsichtig, so erklärt Schubart, er werde so lange im Zimmer hocken bleiben, bis er die Einwilligung der Eltern habe. Es dauert noch eine Nacht an, das Drama, dann hat er die Einwilligung. Noch ein Beispiel? Der Beginn eines Antwortschreibens an einen Vater, das er als Diktat in der Schule schreiben ließ: „Mein guter Schultes! Solche Narren gibt es mehr, wie Ihr seid, und leider finden sich auch hier Leute, die vom Schulwesen auf das Niederträchtigste denken. Euer Bub ist der Beschreibung nach so dumm als Ihr. Zieht ihn mit Eurem Rindvieh auf, vielleicht wird er noch geschickt genug werden, seinem Vater in seinem hohen Stand zu folgen.“ - Zu seinem Lebenslauf:
Im Herbst 1763 brauchte das Städtchen Geislingen (1541 Einwohner) einen neuen Lehrer. Zwei waren für Städtchen dieser Größe damals die Regel: einen Schulmeister für den Unterricht der Knaben und den Herrn Kantor, der die Mädchen unterrichtete. Mit seinen 50 Dienstjahren war der kränkelnde Schulmeister Röbelen, der für 100 bis 150 Knaben verantwortlich zeichnete, reichlich überfordert. Man verpflichtete einen Gehilfen (Adjunkten), doch dieser ‚Straub‘ mit Namen, starb bereits im November 1763. Der Nachfolger des Gehilfen wurde Schubart, der neben den Schulmeister trat, der auf Lebenszeit im Amt verblieb. Schubarts Gehalt fiel entsprechend karg aus, denn es wurde vom alten Schulmeister selbst festgesetzt und in bar entrichtet. Schubart ließ unter anderem in seiner Zeit einige Schuldiktate schreiben, die – überliefert - wegen ihrer Spitzen und Wortspiele bis heute gelesen werden.
1769 wird er zum Organisten und Musikdirektor am württembergischen Hof in Ludwigsburg ernannt. Schubart eckt wegen seines Alkoholismus und seines provokanten unbürgerlichen Lebensstils auf. 1773 wird er wegen einer von ihm verfassten Parodie auf die katholische Liturgie und einer Satire über ein Mitglied des Hofs entlassen und aus Württemberg verbannt. 1774 begegnet er uns als Herausgeber des politisch-künstlerischen Wochenblatts "Teutsche Chronik" wieder, die über Prof. Abel und Prof. Haug auch heimlich den Eleven an der Karlschule zugänglich gemacht wird. Sie erscheint ab März 1774 in Augsburg und erreicht bald 20.000 Leser. Die Zeitschrift enthält regionale und nationale Nachrichten, Ratschläge für Bauern und Händler sowie volkstümliche Balladen. Vor allem aber sind es Schubarts politischer Gedichte und radikalen Artikel, mit denen er die Willkürherrschaft der absolutistischen Fürsten und die katholische Kirche kritisiert, die ihm eine große Leserschaft sichern. Wegen seiner andauernden Angriffe auf die Jesuiten verweist man ihn auch aus der Stadt Augsburg. Aus dem protestantischen Ulm gibt er 1775 seine Zeitschrift weiter heraus. In dieser Zeit erscheint eine berühmte Schrift von Schubart. Wegen der in der Zeitschrift verbreiteten persönlichen und sachlichen Angriffe gegen ihn, lässt der Württembergische Herzog Karl Eugen mit einer List Schubart 1777 auf württembergisches Gebiet locken. In Blaubeuren wird Schubart verhaftet und am 24. Januar ohne förmliche Anklage und im Beisein des Herzogs und seiner Mätresse auf der Festung Asperg für mehr als zehn Jahre eingekerkert. Erst im Juli 1785 darf er seine Frau und seine Kinder wiedersehen. Trotz der Fürbitte berühmter Persönlichkeiten, wie zum Beispiel Johann Wolfgang Goethe, wird Schubart erst im Mai 1787 aus der Haft entlassen. Der preußische König Friedrich der Große hat sich für seine Freilassung eingesetzt. Schubart, nun körperlich und geistig geschwächt, wird Hoftheaterdirektor und Hofdichter in Stuttgart, wo er vier Jahre später im Oktober 1791 stirbt.
- Leseabschnitt 6 Seite 364 – 419, Drittes Buch Kap. 1 bis Kap. 4:
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- Fragen
- Mit Margareta Schwan begegnet Schiller einer jungen Frau, die selbstbewusst die Freiräume nutzt, die ihr offensichtlich der von der Aufklärung inspirierte Vater einräumt. Sie ist zudem sehr belesen. Habt ihr in diesem Zusammenhang schon einmal etwas von der Lesesucht gehört? Einer Krankheit, die im 18. Jahrhundert aufkam und ernsthaft diskutiert und behandelt wurde. Ausgerechtet von den Aufklärern wurde der Begriff eingeführt. Einer seiner frühesten Belege stammt aus dem Jahr 1773. 1809 tauchte er im Wörterbuch des Aufklärers Joachim Heinrich Campe auf: „Lesesucht, die Sucht, d. h. die unmäßige, ungeregelte und auf Kosten anderer nöthiger Beschäftigungen befriedigte Begierde zu lesen, sich durch Bücherlesen zu vergnügen."
- Schiller scheint gebildeten und belesenen Frauen gegenüber ohne Vorbehalte begegnet zu sein, war im Gegenteil stets von Frauen fasziniert, die mit ihm auf Augenhöhe in Sachen Literatur, Philosophie und Politik diskutieren konnten. In diesem Roman ist Margareta Schwan eine der ersten Vertreterinnen für diese Feststellung. Im weiteren Verlauf der Geschichte werden es vor allem die Schauspielerin Baumann, die Geliebte Charlotte von Kalb, Karoline (später verh. von Wohlzogen)und ihre Schwester Charlotte von Lengefeld (später Schillers Ehefrau) sein, die ihn als Frauen mit Bildung und Verstand faszinieren und beeinflussen. Welchen Eindruck habt ihr von Schiller inzwischen gewonnen, ist er ein ‚Kind seiner Zeit‘ oder tritt er euch in der Erzählung, trotz der zeitlichen Distanz zum Geschehen, doch eher zeitgemäß und modern gegenüber?
- Hier zur Rolle von Andreas Streicher und was aus ihm wurde:
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Geboren am 12.12.1761 in Stuttgart, musste Streicher schon sehr früh den Tod seines Vaters, eines Maurermeisters, erleiden und wuchs in einem Waisenhaus ohne nennenswerte musikalische Bildung auf. Er kann daher rückwirkend durchaus als musikalisches Naturtalent und als Autodidakt betrachtet werden. Zum Freund von Schiller wurde er an der Karlsschule und fand es faszinierend, wie Schiller „durch Anhören trauriger oder lebhafter Musik oft außer sich selbst versetzt wurde“. Man kann die Rolle, die Streicher als Freund im Schillerschen Leben in einem entscheidenden Abschnitt und damit letztendlich für dessen ganzes Werk gespielt hat, wohl gar nicht hoch genug veranschlagen. Als er in der Nacht vom 22. auf den 23.09.1782 mit Schiller aus Stuttgart floh und den illegalen Grenzübertritt in die Pfalz wagte, riskierte er wegen der Beihilfe zur Flucht ebenfalls Kopf und Kragen. Und sie waren in der Pfalz als Fahnenflüchtige kaum vor dem Zugriff des Herzogs sicher. In dieser Situation lebten Schiller und er vor seinen Ersparnissen, und es war Streicher, der seinen Traum bei Carl Philipp Emanuel Bach, dem wichtigsten ‚modernen‘ Komponisten der damaligen Zeit, in Hamburg Unterricht zu nehmen, für Schillers Fortkommen, ja sagen wir ruhig, angesichts der elenden Zustände der beiden, auch für dessen Überleben, aufzugeben. Zitat Streicher: „Selbst an den Kerzen musste gespart werden.“ Streicher bewunderte Schillers Begabung und blieb selbst Autodidakt. Als Schiller Mannheim schließlich Richtung Leipzig und Dresden verließ, trennten sich die Wege der Freunde endgültig. Streicher schlug sich als Klavierlehrer durch, arrangierte sogar zwei Opern für Aufführungen in Mannheim und zog anschließend nach München, wo der die Tochter des Augsburger Klavierbauers Stein, Maria Anna Stein, heiratete. Seine Nanette war eine begabte Pianistin, die mit ihrem Bruder nach dem Tod des Vaters das Klavierbauergeschäft erfolgreich nach Wien verlegte. Dort wurde auch Streicher heimisch, befreundete sich mit Beethoven und unterhielt einen Salon, der, als er größer wurde, sich zur Gesellschaft der Musikfreunde auswuchs, die bis heute im Wiener Kulturbetrieb eine erste Adresse ist. Streichers Nanette kümmerte sich um den chaotischen Haushalt des großen Beethoven und Streicher engagierte sich für dessen Gesamtausgabe seiner Werke, veröffentlichte selbst einige Klavierwerke und arbeitete mit seiner Frau an der Herstellung von technisch weiter perfektionierten Klavieren. Beide starben sie kurz nacheinander: Nanette im Januar 1833, Andreas Streicher im Mai 1833. Posthum erschienen seine Jugenderinnerungen zu Schillers Flucht. Er war wohl einer der ersten, die in dem noch ungeschliffenen Schiller den Hochbegabten erkannten und es war seine Selbstlosigkeit, die Schiller den Weg zur Entfaltung ebnete.
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- Tipp: Bei meiner Recherchereise bin ich im Schloss in Gotha/Thüringen auf ein kleines historisches Theater gestoßen, das damals noch mit ähnlichen Mitteln wie zu Schillers Zeiten und einem absoluten Minimum an technischen Hilfsmitteln betrieben wurde. Übrigens: Dieses Theater war zudem eine der Stationen des berühmten Iffland zu Schillers Zeiten auf seinem Weg zu seiner Berliner Karriere. Absolut sehenswert!
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- Historischer Hintergrund und Bezug zu Schillers Literatur
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- Was waren zur Zeit Schillers historisch Ereignisse, die die Menschen insbesondere in den Städten und Kulturzentren bewegt haben?
- Warum hat das Räuber-Drama die Gemüter der Zuschauer und Leser derart erhitzt?
- Wo meint ihr finden sich direkte Spuren und Bezüge zu dieser Jugendzeit und den Anfangsjahren Schillers, die ihn so entscheidend geprägt haben? Beispiel: Zitat: „Sir, geben Sie Gedankenfreiheit!“ oder die Ballade „Die Bürgschaft“
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Das Ergebnis wird am Ende auf der Seite mit den Literaturhinweisen auf dieser Homepage verraten. Link: Schiller Roman-Literaturhinweise.
Friedrich Schiller
Würde des Menschen
"Nichts mehr davon, ich bitt euch. Zu essen gebt ihm, zu wohnen,
Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst."
Schiller wusste, wovon er schrieb. Nicht als kommunistischer Vordenker oder Revoluzzer sind diese Gedichtverse verfasst worden. Es war vielmehr die bittere materielle Not, die er immer wieder in seinem Leben als freier Schriftsteller am eigenen Leib erfahren hatte. Als er schwerkrank und hungrig, ohne Aussicht auf ein ausreichendes sicheres Einkommen, in seiner eiskalten Wohnung in Jena mit seiner Frau fast sein Ende kommen sah und ihn wider alle Erwartungen der dänische Prinz von Augustenburg mit einer Leibrente aus dieser Notlage rettete, schrieb er 1791: „Der Mensch ist noch sehr wenig, wenn er warm wohnt und satt gegessen hat. Aber er muß warm wohnen und satt zu essen haben, wenn sich die bessere
Natur in ihm regen soll.“ Die bessere Natur, darum ging es ihm. Um die Freiheit eines jeden Menschen, sich selbst und die Welt zum Besseren zu gestalten. Der Idealist Schiller, der sich selbst zum genialen Dichter formte und während er sich bereits dem Tod nah fühlte, sein Werk schaffte, das weit über ihn hinauswies, dieser Idealist übersah niemals die Notwendigkeit, der Utopie, dem Traum von Freiheit und Menschenrechten ein festes soziales und materielles Fundament zu geben. Schillers Idealismus ist daher praxisbezogen, aktuell und keineswegs weltfremd. Wer hungert und friert, dem steht nicht der Sinn nach einer philosophischen Diskussion über Würde und Menschenrechten.
Entstaubt, vom ungeliebten Denkmalssockel heruntergeholt, steht „mein Schiller“ mitten unter seinen Lesern. Meine Botschaft: Schiller lebt! Der Roman ist eine packende Leidens- und Triumphgeschichte – und Schiller nicht länger der klassische Leichnam aus dem Deutschunterricht.
In diesem historischen Roman wird Schillers Leben von seinem 13 Lebensjahr an erzählt. Die Erzählung setzt an mit dem vom Herzog erzwungenen Verlassen der Lateinschule in Ludwigsburg und dem Eintritt in die militärische Pflanzschule des württembergischen Herzogs Carl Eugen. Unter der herzoglichen Fuchtel verblieb Fritz Schiller in strengster Erziehung, strikt getrennt vom Elternhaus und dem militärischen Drill der teilweise sadistischen Aufseher ausgesetzt. Diese Zeit hat ihn entscheidend geprägt. Die übergroße Sehnsucht nach Freiheit und den besonderen Wert den er Freundschaften beimaß, basieren auf den existenziell prägenden Erfahrungen aus dieser Zeit.
Mit einem Hungerlohn und der verweigerten gesellschaftlichen Anerkennung, mit 21 erneut in eine Regimentsuniform gezwungen und zum absoluten Gehorsam verdonnert, fand er die Themen seines Lebens. Bis zu seinem Tode wird er sich dem Kampf gegen die Tyrannen verschreiben, wird er an der unstillbaren Sehnsucht nach Freiheit festhalten und die Frage nach den Menschenrechten aufwerfen.Der Bruch mit dem bürgerlichen Leben der damaligen Zeit war unter solchen Umständen für einen Kopf wie ihn unvermeidlich, sein Aufbegehren gegen den verhassten Herzog geradezu ein Überlebensprogramm, wollte er nicht als gebrochener Mann im Sumpf der Stadt und des Soldatenlebens enden. Schiller führte ein Leben des Sturm und Drang, verlachte alle Regeln und erzwang, was ihm verweigert wurde. Nachdem der württembergische Herzog noch meinte, ihn mit einem Schreibverbot erneut unter sein Joch zu zwingen, wurde Schiller fahnenflüchtig und vielleicht zum ersten wirklich freien Schriftsteller in Deutschland.
„Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei! Und würd er in Ketten geboren....“
Wer war dieser Friedrich Schiller?
„Er war lang von Statur, fast hager. Sein Körper schien
den Anstrengungen des Geistes damals zu unterliegen.
Sein Gesicht war bleich und verfallen, aber eine stille
Schwärmerei schimmerte aus seinem schönen belebten
Auge, und die hohe, freie Stirn verkündigte den tiefen
Denker...sein ganzes Wesen erweckte Vertrauen. Da war
nichts von Zurückhaltung, nichts von Stolz oder vornehmtuenden Air, er war so offen,
so redlich in allen Äußerungen,...dass mir, ehe eine Viertelstunde verging, war, als hätten wir uns seit Jahren gekannt...“
(Johann Gottfried Gruber)
Novalis, damals ein 18jähriger Student Schillers in Jena, wo der Dichter Philosophie und Geschichte lehrte und ihm in tief verbunden war, beschrieb ihn folgendermaßen:
„Sein Blick warf mich nieder in den Staub und richtete mich wieder auf. Das vollste, uneingeschränkteste Zutrauen schenkte ich ihm in den ersten Minuten ... ich erkannte in ihm den höheren Genius, der über Jahrhunderte waltet.“
Als Schiller 1791 auf den Tod erkrankte, gehörte Friedrich von Hardenberg (Novalis) zu den ersten Freiwilligen, die bei ihm Nachtwache hielten und sich um ihn sorgten.
Es gibt zahlreiche Zeugnisse über den Dichtergenius Schiller, die ihn als Menschen beschreiben. Sander schrieb beispielsweise im Jahr 1797 an seine Frau über ein Zusammentreffen mit Schiller in dessen Jenaer Gartenhaus:
„Ja so! hätte ich doch bald vergessen, dass ich auch Schiller gesprochen habe und dass wir am Ende der Unterredung sogar bis zum Händeschütteln kamen. Aber – Schiller ist nicht mein Mann. Ein sehr gemeines Gesicht und dabei etwas Widriges. Denke Dir sehr eingefallene Backen, eine sehr spitze Nase, fuchsrotes Haar auf dem Kopfe und über den Augen. Und nun war er in seinem Garten, mit gelben eingetretenen Pantoffeln und in einem schlafrockähnlichen Überzug. Wäre ich so mit ihm in einer öden Gegend zusammengetroffen, ich hätte für mein Leben oder wenigstens für meine Börse gefürchtet.“
Beachten Sie den Termin für die Buchpräsentation des zweiten Teils des Schiller-Romans "Der lange Weg nach Weimar" am Sonntag, den 11.10.2020, 19:00 Uhr, im Festsaal von Schloss Miel, Swisttal! Eintritt frei!